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Rede Minister Axel Vogel

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1. Wasserkonferenz Lausitz „Bergbau-Wasser-Klima“ am 12. März 2021 in der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg

Axel Vogel, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz Brandenburg

Es gilt das gesprochene Wort!

Der Klimablock steht im heutigen Programm nach dem Bergbau-  und dem Wasserblock erst an dritter Stelle. Deshalb möchte ich als Klimaschutzminister des Landes Brandenburg in meinen Ausführungen den Klimaschutzaspekt voranstellen, denn die Klimakrise stellt die mit Abstand größte Herausforderung dar. Wassermanagement und der Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung stehen hiermit in unmittelbarem und für jedermann erkennbaren Zusammenhang.

Die Klimakrise bedroht unsere Lebensgrundlagen. Beim Wasser wird das besonders deutlich. Als Folge der Klimaerwärmung nehmen auch in Deutschland sowohl extreme Hitze und Trockenperioden als auch Starkniederschläge und damit einhergehend Überschwemmungen zu. 2018 gehörte Deutschland laut Germanwatch erstmals zu den drei am stärksten von Extremwettern betroffenen Ländern der Welt.

Wohin das führt, wird unter anderem am Pegel Leibsch unterhalb des ökologisch und touristisch bedeutsamen Biosphärenreservats Spreewald exemplarisch deutlich. Im Hochsommer 2018 flossen acht Kubikmeter pro Sekunde Wasser aus der Talsperre Spremberg in die Spree und dann weiter in den Spreewald. Am Ausgang des Spreewalds am Pegel Leibsch konnten aber nur 1,5 Kubikmeter pro Sekunde gemessen werden.

Von Mai 2018 an fielen die Durchflusswerte der Spree am Pegel Leibsch kontinuierlich und erreichten in der letzten Maidekade 2018 die MNQ-Grenze – das ist der mittlere Niedrigwasserabfluss bezogen auf die Zeit von 1981 bis 2010. Von diesem Zeitpunkt an bis fast Ende September 2018 lagen die Durchflüsse an 117 Tagen unter dem mittleren Niedrigwasserabfluss. Die Durchflüsse stiegen dann bis Ende März 2019 an, überschritten aber im Januar und März 2019 nur kurz den langjährigen durchschnittlichen Abflusswert. 2019 wurde der MNQ am Pegel Leibsch an 109 Tagen unterschritten.

Wir haben am Pegel Leibsch in trockenen Jahren inzwischen eine Situation, wo das langjährige durchschnittliche untere Niveau über lange Phasen unterschritten, der durchschnittliche Abfluss aber nur noch vergleichsweise kurz erreicht wird.

Hier wird deutlich, dass die durch den Klimawandel bedingten Auswirkungen auf den Wasserhaushalt uns vor große Probleme stellen, für die wir in den nächsten Jahren Lösungen finden müssen. Dass es zur Absicherung aller ökologischen und wasserwirtschaftlichen Interessen vor allem in trockenen, niederschlagsarmen Zeiten abgestimmte Maßnahmen zur Wasserversorgung braucht.

Die Ursache des Klimawandels ist der vom Menschen zu verantwortende Treibhausgasausstoß – allen voran der Ausstoß von Treibhausgasen durch die fossile Energiegewinnung. Allein in Brandenburg entfielen 2018 bei einem Gesamtausstoß von 63,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten (CO2-Äquvalenten) 36 Millionen auf die Braunkohleverstromung (Kraftwerk Jänschwalde: 24 Millionen, Schwarze Pumpe: zwölf Millionen). Dass im Kraftwerk Jänschwalde inzwischen zwei Blöcke mit einem jährlichen Ausstoß von acht Millionen Tonnen CO2 vom Netz genommen wurden, hat hier zu einer spürbaren Entlastung geführt.

Die Braunkohle im Lausitzer Revier hat über Generationen die Energieversorgung Ostdeutschlands sichergestellt und ist nach wie vor ein Standbein der Wertschöpfung in der Region. Zugleich hat der Tagebau zur Devastierung ganzer Landschaften geführt, wurden 136 Dörfer ganz oder teilweise abgebaggert. Die Rekultivierung ehemaliger Tagebaulandschaften zieht sich schon über Jahrzehnte hinweg und ist noch lange nicht beendet. Das zu gewährleisten ist Aufgabe der hier heute vertretenen Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) und – für die aktiven Tagebaue - des Braunkohleunternehmens Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG).

Die Bergbauaktivitäten haben durch Grundwasserhebung und Einleitung des Sümpfungswassers in die Flussgebiete massive Auswirkungen auf den Wasserhaushalt der Lausitz. Zum Zeitpunkt der größten Bergbauaktivitäten im Jahr 1990 war hier eine Fläche von 2.000 Quadratkilometern von der Grundwasserabsenkung betroffen. Zu dieser Zeit bestand in der Lausitz ein Grundwasserdefizit von 4,5 Milliarden Kubikmetern und ein Wasserdefizit in den Restseen von 2,5 Milliarden Kubikmetern. 2019/2020 betrug das Grundwasserdefizit noch 0,6 Milliarden Kubikmeter; das Defizit in den Seen 0,3 Milliarden Kubikmeter (Sanierungsbergbau; Defizit durch aktiven Bergbau der LEAG ist in diesen Zahlen nicht enthalten).

Der Bergbau ist hier zentrales Element eines künstlichen Systems, bei dem der Mensch steuernd in den Wasserhaushalt eingreift. Eine zentrale Rolle spielt seit dem Jahr 2000 die Flutungszentrale Lausitz, die angesichts der vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Niederschlagsmengen, Wasserdargebot in den Flusseinzugsgebieten und dem Wasserbedarf der zu flutenden Tagebauseen Steuerungs- und Kontrollaufgaben erfüllt.

Hier kommen wir auf einen weiteren Faktor des Lausitzer Wasserhaushalts. Im Zuge der Tagebausanierung werden aus ehemaligen Braunkohlegruben durch Wassereinleitung und Grundwasseranstieg Seen, die die Qualität des Landschaftsbildes erheblich verbessern, die der Naherholung, Freizeit und Tourismus in der Region dienen. Der Wasserbedarf zur Flutung der Restlöcher ist immer noch immens. Das Wasserdefizit in den Seen in Zuständigkeit der LMBV ist zirka 300 Millionen Kubikmeter groß. Zusätzlich müssen zukünftig die Bergbaufolgeseen der LEAG geflutet werden.

Hinzu kommt die mit den neuen Seen zunehmende Verdunstung. Eine Wasserfläche hat eine um 300 Millimeter im Jahr höhere Verdunstung im Vergleich zum Boden. In der brandenburgischen Lausitz hat die LMBV 7.800 Hektar Bergbaufolgeseen in Flutung oder bereits fertig geflutet. Unterstellt man eine Seeverdunstung von 730 Millimeter im Jahr, so verdunstet aus diesen Seen etwa 57 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Allerdings fallen auch 44,5 Millionen Kubikmeter Regen auf diese Flächen, so dass die Differenz bei rund 12,5 Millionen Kubikmetern liegt. Der Cottbuser Ostsee hat eine Größe von 20 Quadratkilometer und weist bei gleicher Verdunstungsrate eine jährliche Verdunstung von 14,6 Millionen Kubikmeter auf. Es fallen hier 11,4 Millionen Kubikmeter Niederschläge, die rechnerische Differenz entspricht also 3,2 Millionen Kubikmeter/Jahr.

Der Braunkohletagebau ist durch Grundwasserentnahme und Grubenwassereinleitung ein zentraler Faktor des stark vom Menschen beeinflussten Wasserhaushalts der Lausitz. Das stellt uns durch den bevorstehenden Ausstieg aus der Braunkohleverstromung vor zusätzliche Herausforderungen: Mit der Stilllegung der Tagebaubetriebe wird die Einleitung des Sümpfungswassers in naheliegende Fließgewässer nach und nach zurückgehen. Der durch sinkende Entnahmen einsetzende Anstieg des Grundwassers wird aber deutlich langsamer als der Rückgang der Sümpfungswassermengen erfolgen und kurz oder mittelfristig zu einem Abflussdefizit der Fließgewässer führen. Auch dieses Problem gilt es zu lösen.

Nun ist es aber falsch, die Fortführung der Braunkohleförderung als Garanten einer sicheren Wasserversorgung der Lausitz darzustellen. Es besteht kein Zweifel an der Notwendigkeit, aus der Braunkohleförderung zügig und begleitet durch einen klug gestalteten Strukturwandelprozess auszusteigen. Deshalb tat unsere Regierungskoalition gut daran, Klimaschutz zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit zu machen und zu vereinbaren, dass es mit ihr keine neuen Tagebaue und keine Tagebauerweiterungen geben wird.

Die Beendigung der fossilen Energiegewinnung und der Umstieg auf Erneuerbare Energien sind der zentrale Hebel, um unseren Treibhausgasausstoß zu reduzieren, um das Pariser Klimaziel zu erreichen, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass uns dafür nur noch wenig Zeit zur Verfügung steht. Denn wir steuern nach Erkenntnissen der Klimaforschung auf so genannte Kipppunkte zu, wo sich die Klimaerwärmung nicht mehr eingrenzen lässt, sondern sich die negativen Effekte gegenseitig verstärken.

Schwindende Abflüsse in Flüssen und sinkende Pegelstände an Seen und Grundwasser haben in drei aufeinanderfolgenden Trockensommern die hohe Sensibilität des Wasserhaushaltes in Brandenburg erkennbar gemacht. Ursache dieser Entwicklung ist die Klimaerwärmung, durch die sich die Situation in Zukunft weiter zuspitzen wird. Parallel haben wir im Zuge der Braunkohlesanierung einen riesigen Wasserbedarf zur Flutung der Bergbaufolgeseen. Und nicht zuletzt wird mit dem Ausstieg aus der Braunkohleförderung die Einleitung von gehobenen Grubenwasser in die Lausitzer Flusslandschaft enden und übergangsweise die Wasserknappheit verschärfen. Was tut die Landesregierung, um diesen Problemkomplexen Herr zu werden?

Die hier genannten Probleme des Wasserhaushalts betreffen Brandenburg nicht allein. Das zeigt sich allein an der Spree, deren Oberlauf in Sachsen liegt, die durch Brandenburg und Berlin fließt und auch für die Trinkwasserversorgung von Brandenburg und Berlin eine wichtige Rolle spielt.

Hier kommt es auf die länderübergreifende Zusammenarbeit für eine flussgebietsbezogene Bewirtschaftung an. Dabei können wir auf den Erfahrungen bereits bestehender Gremien wie der länderübergreifenden Arbeitsgruppe „Flussgebietsbewirtschaftung Spree, Schwarze Elster, Lausitzer Neiße“ aufbauen. Diese Zusammenarbeit mit Sachsen wollen wir weiter qualifizieren.

In zurückliegenden Trockenphasen konnte bislang zudem Schlimmeres verhindert werden durch den Einsatz der ad-hoc eingerichteten länderübergreifenden Arbeitsgruppe „Extremsituation“. In der Arbeitsgruppe wurden Bewirtschaftungsmaßnahmen abgestimmt, um ein Trockenfallen der Flussläufe zu verhindern. Auf Veranlassung der Arbeitsgruppe wurden beispielsweise:

  • Die Abgaben aus den Speichern- und Talsperren abgestimmt,
  • Wasser aus dem noch der Bergaufsicht unterliegenden Speichersystem Lohsa II zur Niedrigwasseranhebung eingeleitet,
  • Allgemeinverfügungen zur Einschränkung des Anlieger- und Allgemeingebrauchs erlassen, sowie
  • die Ausleitungen aus der Restlochseenkette zur Stützung der Schwarzen Elster abgestimmt.

Wir müssen uns auch den bergbaulich induzierten Stoffbelastungen in den Fließgewässern und deren Wirkung auf die Gewässerbiologie widmen. Die LMBV hat bereits gezeigt, dass der negative Einfluss des Eisenockers auf die Gewässerökologie mit Einzelmaßnahmen und Maßnahmenkombinationen deutlich reduziert werden kann. Eine wesentliche Rolle für die Sicherung des Südraums und damit der Zuflüsse zum Biosphärenreservat Spreewald wird noch mehrere Jahre die Eisenockerabscheidung an der Vorsperre der Talsperre Spremberg spielen. Das Wasserwirtschaftsamt ist gegenwärtig dabei, die für die kontinuierliche Eisenockerberäumung und -entwässerung notwendigen Sedimentationsbecken für diese Nutzung mit großem Finanzaufwand von über zehn Millionen Euro zu ertüchtigen. Die zusätzlich für die Eisenhydroxid-Beräumung zu nutzenden Sedimentationsbecken werden den Absetz-/ Entwässerungsraum von derzeit  25.000 Kubikmeter um 160.000 Kubikmeter erhöhen.

Wir wollen die Ertüchtigung der Talsperre Spremberg zudem dafür nutzen, ihren Bewirtschaftungsraum nicht mehr nur als Hochwasserrückhalteraum, sondern gleichfalls auch zur Niedrigwasseraufhöhung auszubauen.

Als Umweltminister liegt mir die Sicherung der ökologischen Mindestabflüsse besonders am Herzen. Dabei stellt das regionale Niedrigwasserkonzept für das mittlere Spreegebiet eine wichtige Grundlage für die Bewirtschaftung des Spreewaldes in Niedrigwassersituationen dar. Aufbauend auf den Erfahrungen der Trockenjahre 2018 bis 2020 wird das Konzept aktuell überarbeitet und an die neuen Erkenntnisse angepasst. Das regionale Konzept ist ein Baustein des landesweiten Niedrigwasserkonzepts, das wir gerade veröffentlicht haben. Diese Konzepte werden auch künftig fortzuschreiben und auf die nachbergbauliche Situation anzupassen sein.

Wir nehmen mit diesen Maßnahmen aktuelle Herausforderungen in Angriff und treffen Vorsorge. Wir brauchen aber weiter in die Zukunft reichende Handlungsleitfäden, die den Herausforderungen des Klimawandels gerecht werden. So soll das Niedrigwasserkonzept einfließen in ein „Gesamtkonzept Anpassung an den Klimawandel im Politikfeld Wasser“.

Erkenntnisse, speziell unter dem Gesichtspunkt des Braunkohleausstiegs, erwarte ich mir von dem Gutachten „Wasserwirtschaftliche Folgen des Braunkohleausstiegs“, das das Umweltbundesamt gerade auf den Weg bringt. Hierzu möchte ich kritisch anmerken, dass mein Ministerium zwar an der Erstellung der Leistungsbeschreibung für die Ausschreibung des Gutachtens beteiligt wurde, nicht aber am Ausschreibungsprozess selbst. Wir stellen uns nun darauf ein, den Bearbeitungsprozess gemeinsam mit Berlin und Sachsen im Rahmen der Arbeit des vorgesehenen Begleitgremiums mitgestalten zu können.

Ein wichtiger Meilenstein wird auch die Entwicklung eines Wasser- und Untergrundmodells Lausitz („Großraummodell“) sein, wie es vom Bundestag an die Bundesregierung und die betroffenen Bundesländer in seiner Entschließung zum Braunkohleausstieg in der Lausitz adressiert wurde. Mit dem Großraummodell wird eine gebietsübergreifende, wasserwirtschaftliche Bilanzierung vor dem Hintergrund des Klimawandels möglich. Damit können wasserwirtschaftliche Risiken durch den vorzeitigen Braunkohleausstieg und dem Klimawandel dargestellt und Maßnahmen abgeleitet werden.

Die Sanierung der Braunkohletagebaue hat die öffentliche Hand schon etliche Milliarden Euro gekostet und wird sie weitere Milliarden kosten. Die nachgelagerten Kosten der Braunkohleförderung machen deutlich, dass es sich bei der Kohle genauso wie bei der Atomenergie mitnichten um einen preiswerten Energieträger handelt. Unser Ziel im Hinblick auf den Wasserhaushalt, nach Ausstieg aus der Braunkohle, sollte ein System sein, das solche Kosten nicht in alle Ewigkeit fortschreibt, sondern einen möglichst naturnahen Zustand herstellt, der sich eines Tages weitgehend wieder selbst trägt. Das heißt, wir müssen es schaffen, dass anders als im Ruhrgebiet keine Ewigkeitslasten dauerhaft bestehen bleiben.

Die Bewältigung der absehbaren Folgen des Braunkohleausstiegs im Wasserbereich ist eine Generationenaufgabe. Der Klimawandel macht auch nachhaltiges Niedrigwassermanagement zur Daueraufgabe, angesichts des schon zu verzeichnenden Temperaturanstiegs gibt es hier kein schnelles Zurück zu einem früheren Zustand.

Ein kurzes Wort zu der im Vorfeld dieser Konferenz aus Umweltverbänden erhobenen Kritik zur Teilnahme Brandenburgs, Sachsens und Berlins an der heutigen Veranstaltung. Ja, wir diskutieren hier auf einer Veranstaltung auch mit der Braunkohleindustrie und mit langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Braunkohleunternehmen LEAG. Ja, selbstverständlich tun wir das, ja, was denn sonst? Nicht nur weil wir als Mitglieder von Landesregierungen viel mit Unternehmerinnen und Unternehmern reden – das gehört zu unseren Aufgaben, genauso wie Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden und Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Darüber hinaus halte ich es gerade auch für unabdingbar, hier und heute mit Ihnen über Zukunftsgestaltung zu diskutieren. Auch wer in welcher Funktion auch immer bislang mit seinem Handeln zu den entstandenen Problemen beigetragen hat, kann und muss Teil der Lösung werden. Die Politik wird die Probleme allein nicht lösen können. Dazu benötigen wir Sie alle. Angesichts der Bedrohung, die die Klimakrise darstellt, darf es hier keine Sprachlosigkeit geben.

1. Wasserkonferenz Lausitz „Bergbau-Wasser-Klima“ am 12. März 2021 in der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg

Axel Vogel, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz Brandenburg

Es gilt das gesprochene Wort!

Der Klimablock steht im heutigen Programm nach dem Bergbau-  und dem Wasserblock erst an dritter Stelle. Deshalb möchte ich als Klimaschutzminister des Landes Brandenburg in meinen Ausführungen den Klimaschutzaspekt voranstellen, denn die Klimakrise stellt die mit Abstand größte Herausforderung dar. Wassermanagement und der Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung stehen hiermit in unmittelbarem und für jedermann erkennbaren Zusammenhang.

Die Klimakrise bedroht unsere Lebensgrundlagen. Beim Wasser wird das besonders deutlich. Als Folge der Klimaerwärmung nehmen auch in Deutschland sowohl extreme Hitze und Trockenperioden als auch Starkniederschläge und damit einhergehend Überschwemmungen zu. 2018 gehörte Deutschland laut Germanwatch erstmals zu den drei am stärksten von Extremwettern betroffenen Ländern der Welt.

Wohin das führt, wird unter anderem am Pegel Leibsch unterhalb des ökologisch und touristisch bedeutsamen Biosphärenreservats Spreewald exemplarisch deutlich. Im Hochsommer 2018 flossen acht Kubikmeter pro Sekunde Wasser aus der Talsperre Spremberg in die Spree und dann weiter in den Spreewald. Am Ausgang des Spreewalds am Pegel Leibsch konnten aber nur 1,5 Kubikmeter pro Sekunde gemessen werden.

Von Mai 2018 an fielen die Durchflusswerte der Spree am Pegel Leibsch kontinuierlich und erreichten in der letzten Maidekade 2018 die MNQ-Grenze – das ist der mittlere Niedrigwasserabfluss bezogen auf die Zeit von 1981 bis 2010. Von diesem Zeitpunkt an bis fast Ende September 2018 lagen die Durchflüsse an 117 Tagen unter dem mittleren Niedrigwasserabfluss. Die Durchflüsse stiegen dann bis Ende März 2019 an, überschritten aber im Januar und März 2019 nur kurz den langjährigen durchschnittlichen Abflusswert. 2019 wurde der MNQ am Pegel Leibsch an 109 Tagen unterschritten.

Wir haben am Pegel Leibsch in trockenen Jahren inzwischen eine Situation, wo das langjährige durchschnittliche untere Niveau über lange Phasen unterschritten, der durchschnittliche Abfluss aber nur noch vergleichsweise kurz erreicht wird.

Hier wird deutlich, dass die durch den Klimawandel bedingten Auswirkungen auf den Wasserhaushalt uns vor große Probleme stellen, für die wir in den nächsten Jahren Lösungen finden müssen. Dass es zur Absicherung aller ökologischen und wasserwirtschaftlichen Interessen vor allem in trockenen, niederschlagsarmen Zeiten abgestimmte Maßnahmen zur Wasserversorgung braucht.

Die Ursache des Klimawandels ist der vom Menschen zu verantwortende Treibhausgasausstoß – allen voran der Ausstoß von Treibhausgasen durch die fossile Energiegewinnung. Allein in Brandenburg entfielen 2018 bei einem Gesamtausstoß von 63,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten (CO2-Äquvalenten) 36 Millionen auf die Braunkohleverstromung (Kraftwerk Jänschwalde: 24 Millionen, Schwarze Pumpe: zwölf Millionen). Dass im Kraftwerk Jänschwalde inzwischen zwei Blöcke mit einem jährlichen Ausstoß von acht Millionen Tonnen CO2 vom Netz genommen wurden, hat hier zu einer spürbaren Entlastung geführt.

Die Braunkohle im Lausitzer Revier hat über Generationen die Energieversorgung Ostdeutschlands sichergestellt und ist nach wie vor ein Standbein der Wertschöpfung in der Region. Zugleich hat der Tagebau zur Devastierung ganzer Landschaften geführt, wurden 136 Dörfer ganz oder teilweise abgebaggert. Die Rekultivierung ehemaliger Tagebaulandschaften zieht sich schon über Jahrzehnte hinweg und ist noch lange nicht beendet. Das zu gewährleisten ist Aufgabe der hier heute vertretenen Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) und – für die aktiven Tagebaue - des Braunkohleunternehmens Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG).

Die Bergbauaktivitäten haben durch Grundwasserhebung und Einleitung des Sümpfungswassers in die Flussgebiete massive Auswirkungen auf den Wasserhaushalt der Lausitz. Zum Zeitpunkt der größten Bergbauaktivitäten im Jahr 1990 war hier eine Fläche von 2.000 Quadratkilometern von der Grundwasserabsenkung betroffen. Zu dieser Zeit bestand in der Lausitz ein Grundwasserdefizit von 4,5 Milliarden Kubikmetern und ein Wasserdefizit in den Restseen von 2,5 Milliarden Kubikmetern. 2019/2020 betrug das Grundwasserdefizit noch 0,6 Milliarden Kubikmeter; das Defizit in den Seen 0,3 Milliarden Kubikmeter (Sanierungsbergbau; Defizit durch aktiven Bergbau der LEAG ist in diesen Zahlen nicht enthalten).

Der Bergbau ist hier zentrales Element eines künstlichen Systems, bei dem der Mensch steuernd in den Wasserhaushalt eingreift. Eine zentrale Rolle spielt seit dem Jahr 2000 die Flutungszentrale Lausitz, die angesichts der vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Niederschlagsmengen, Wasserdargebot in den Flusseinzugsgebieten und dem Wasserbedarf der zu flutenden Tagebauseen Steuerungs- und Kontrollaufgaben erfüllt.

Hier kommen wir auf einen weiteren Faktor des Lausitzer Wasserhaushalts. Im Zuge der Tagebausanierung werden aus ehemaligen Braunkohlegruben durch Wassereinleitung und Grundwasseranstieg Seen, die die Qualität des Landschaftsbildes erheblich verbessern, die der Naherholung, Freizeit und Tourismus in der Region dienen. Der Wasserbedarf zur Flutung der Restlöcher ist immer noch immens. Das Wasserdefizit in den Seen in Zuständigkeit der LMBV ist zirka 300 Millionen Kubikmeter groß. Zusätzlich müssen zukünftig die Bergbaufolgeseen der LEAG geflutet werden.

Hinzu kommt die mit den neuen Seen zunehmende Verdunstung. Eine Wasserfläche hat eine um 300 Millimeter im Jahr höhere Verdunstung im Vergleich zum Boden. In der brandenburgischen Lausitz hat die LMBV 7.800 Hektar Bergbaufolgeseen in Flutung oder bereits fertig geflutet. Unterstellt man eine Seeverdunstung von 730 Millimeter im Jahr, so verdunstet aus diesen Seen etwa 57 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Allerdings fallen auch 44,5 Millionen Kubikmeter Regen auf diese Flächen, so dass die Differenz bei rund 12,5 Millionen Kubikmetern liegt. Der Cottbuser Ostsee hat eine Größe von 20 Quadratkilometer und weist bei gleicher Verdunstungsrate eine jährliche Verdunstung von 14,6 Millionen Kubikmeter auf. Es fallen hier 11,4 Millionen Kubikmeter Niederschläge, die rechnerische Differenz entspricht also 3,2 Millionen Kubikmeter/Jahr.

Der Braunkohletagebau ist durch Grundwasserentnahme und Grubenwassereinleitung ein zentraler Faktor des stark vom Menschen beeinflussten Wasserhaushalts der Lausitz. Das stellt uns durch den bevorstehenden Ausstieg aus der Braunkohleverstromung vor zusätzliche Herausforderungen: Mit der Stilllegung der Tagebaubetriebe wird die Einleitung des Sümpfungswassers in naheliegende Fließgewässer nach und nach zurückgehen. Der durch sinkende Entnahmen einsetzende Anstieg des Grundwassers wird aber deutlich langsamer als der Rückgang der Sümpfungswassermengen erfolgen und kurz oder mittelfristig zu einem Abflussdefizit der Fließgewässer führen. Auch dieses Problem gilt es zu lösen.

Nun ist es aber falsch, die Fortführung der Braunkohleförderung als Garanten einer sicheren Wasserversorgung der Lausitz darzustellen. Es besteht kein Zweifel an der Notwendigkeit, aus der Braunkohleförderung zügig und begleitet durch einen klug gestalteten Strukturwandelprozess auszusteigen. Deshalb tat unsere Regierungskoalition gut daran, Klimaschutz zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit zu machen und zu vereinbaren, dass es mit ihr keine neuen Tagebaue und keine Tagebauerweiterungen geben wird.

Die Beendigung der fossilen Energiegewinnung und der Umstieg auf Erneuerbare Energien sind der zentrale Hebel, um unseren Treibhausgasausstoß zu reduzieren, um das Pariser Klimaziel zu erreichen, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass uns dafür nur noch wenig Zeit zur Verfügung steht. Denn wir steuern nach Erkenntnissen der Klimaforschung auf so genannte Kipppunkte zu, wo sich die Klimaerwärmung nicht mehr eingrenzen lässt, sondern sich die negativen Effekte gegenseitig verstärken.

Schwindende Abflüsse in Flüssen und sinkende Pegelstände an Seen und Grundwasser haben in drei aufeinanderfolgenden Trockensommern die hohe Sensibilität des Wasserhaushaltes in Brandenburg erkennbar gemacht. Ursache dieser Entwicklung ist die Klimaerwärmung, durch die sich die Situation in Zukunft weiter zuspitzen wird. Parallel haben wir im Zuge der Braunkohlesanierung einen riesigen Wasserbedarf zur Flutung der Bergbaufolgeseen. Und nicht zuletzt wird mit dem Ausstieg aus der Braunkohleförderung die Einleitung von gehobenen Grubenwasser in die Lausitzer Flusslandschaft enden und übergangsweise die Wasserknappheit verschärfen. Was tut die Landesregierung, um diesen Problemkomplexen Herr zu werden?

Die hier genannten Probleme des Wasserhaushalts betreffen Brandenburg nicht allein. Das zeigt sich allein an der Spree, deren Oberlauf in Sachsen liegt, die durch Brandenburg und Berlin fließt und auch für die Trinkwasserversorgung von Brandenburg und Berlin eine wichtige Rolle spielt.

Hier kommt es auf die länderübergreifende Zusammenarbeit für eine flussgebietsbezogene Bewirtschaftung an. Dabei können wir auf den Erfahrungen bereits bestehender Gremien wie der länderübergreifenden Arbeitsgruppe „Flussgebietsbewirtschaftung Spree, Schwarze Elster, Lausitzer Neiße“ aufbauen. Diese Zusammenarbeit mit Sachsen wollen wir weiter qualifizieren.

In zurückliegenden Trockenphasen konnte bislang zudem Schlimmeres verhindert werden durch den Einsatz der ad-hoc eingerichteten länderübergreifenden Arbeitsgruppe „Extremsituation“. In der Arbeitsgruppe wurden Bewirtschaftungsmaßnahmen abgestimmt, um ein Trockenfallen der Flussläufe zu verhindern. Auf Veranlassung der Arbeitsgruppe wurden beispielsweise:

  • Die Abgaben aus den Speichern- und Talsperren abgestimmt,
  • Wasser aus dem noch der Bergaufsicht unterliegenden Speichersystem Lohsa II zur Niedrigwasseranhebung eingeleitet,
  • Allgemeinverfügungen zur Einschränkung des Anlieger- und Allgemeingebrauchs erlassen, sowie
  • die Ausleitungen aus der Restlochseenkette zur Stützung der Schwarzen Elster abgestimmt.

Wir müssen uns auch den bergbaulich induzierten Stoffbelastungen in den Fließgewässern und deren Wirkung auf die Gewässerbiologie widmen. Die LMBV hat bereits gezeigt, dass der negative Einfluss des Eisenockers auf die Gewässerökologie mit Einzelmaßnahmen und Maßnahmenkombinationen deutlich reduziert werden kann. Eine wesentliche Rolle für die Sicherung des Südraums und damit der Zuflüsse zum Biosphärenreservat Spreewald wird noch mehrere Jahre die Eisenockerabscheidung an der Vorsperre der Talsperre Spremberg spielen. Das Wasserwirtschaftsamt ist gegenwärtig dabei, die für die kontinuierliche Eisenockerberäumung und -entwässerung notwendigen Sedimentationsbecken für diese Nutzung mit großem Finanzaufwand von über zehn Millionen Euro zu ertüchtigen. Die zusätzlich für die Eisenhydroxid-Beräumung zu nutzenden Sedimentationsbecken werden den Absetz-/ Entwässerungsraum von derzeit  25.000 Kubikmeter um 160.000 Kubikmeter erhöhen.

Wir wollen die Ertüchtigung der Talsperre Spremberg zudem dafür nutzen, ihren Bewirtschaftungsraum nicht mehr nur als Hochwasserrückhalteraum, sondern gleichfalls auch zur Niedrigwasseraufhöhung auszubauen.

Als Umweltminister liegt mir die Sicherung der ökologischen Mindestabflüsse besonders am Herzen. Dabei stellt das regionale Niedrigwasserkonzept für das mittlere Spreegebiet eine wichtige Grundlage für die Bewirtschaftung des Spreewaldes in Niedrigwassersituationen dar. Aufbauend auf den Erfahrungen der Trockenjahre 2018 bis 2020 wird das Konzept aktuell überarbeitet und an die neuen Erkenntnisse angepasst. Das regionale Konzept ist ein Baustein des landesweiten Niedrigwasserkonzepts, das wir gerade veröffentlicht haben. Diese Konzepte werden auch künftig fortzuschreiben und auf die nachbergbauliche Situation anzupassen sein.

Wir nehmen mit diesen Maßnahmen aktuelle Herausforderungen in Angriff und treffen Vorsorge. Wir brauchen aber weiter in die Zukunft reichende Handlungsleitfäden, die den Herausforderungen des Klimawandels gerecht werden. So soll das Niedrigwasserkonzept einfließen in ein „Gesamtkonzept Anpassung an den Klimawandel im Politikfeld Wasser“.

Erkenntnisse, speziell unter dem Gesichtspunkt des Braunkohleausstiegs, erwarte ich mir von dem Gutachten „Wasserwirtschaftliche Folgen des Braunkohleausstiegs“, das das Umweltbundesamt gerade auf den Weg bringt. Hierzu möchte ich kritisch anmerken, dass mein Ministerium zwar an der Erstellung der Leistungsbeschreibung für die Ausschreibung des Gutachtens beteiligt wurde, nicht aber am Ausschreibungsprozess selbst. Wir stellen uns nun darauf ein, den Bearbeitungsprozess gemeinsam mit Berlin und Sachsen im Rahmen der Arbeit des vorgesehenen Begleitgremiums mitgestalten zu können.

Ein wichtiger Meilenstein wird auch die Entwicklung eines Wasser- und Untergrundmodells Lausitz („Großraummodell“) sein, wie es vom Bundestag an die Bundesregierung und die betroffenen Bundesländer in seiner Entschließung zum Braunkohleausstieg in der Lausitz adressiert wurde. Mit dem Großraummodell wird eine gebietsübergreifende, wasserwirtschaftliche Bilanzierung vor dem Hintergrund des Klimawandels möglich. Damit können wasserwirtschaftliche Risiken durch den vorzeitigen Braunkohleausstieg und dem Klimawandel dargestellt und Maßnahmen abgeleitet werden.

Die Sanierung der Braunkohletagebaue hat die öffentliche Hand schon etliche Milliarden Euro gekostet und wird sie weitere Milliarden kosten. Die nachgelagerten Kosten der Braunkohleförderung machen deutlich, dass es sich bei der Kohle genauso wie bei der Atomenergie mitnichten um einen preiswerten Energieträger handelt. Unser Ziel im Hinblick auf den Wasserhaushalt, nach Ausstieg aus der Braunkohle, sollte ein System sein, das solche Kosten nicht in alle Ewigkeit fortschreibt, sondern einen möglichst naturnahen Zustand herstellt, der sich eines Tages weitgehend wieder selbst trägt. Das heißt, wir müssen es schaffen, dass anders als im Ruhrgebiet keine Ewigkeitslasten dauerhaft bestehen bleiben.

Die Bewältigung der absehbaren Folgen des Braunkohleausstiegs im Wasserbereich ist eine Generationenaufgabe. Der Klimawandel macht auch nachhaltiges Niedrigwassermanagement zur Daueraufgabe, angesichts des schon zu verzeichnenden Temperaturanstiegs gibt es hier kein schnelles Zurück zu einem früheren Zustand.

Ein kurzes Wort zu der im Vorfeld dieser Konferenz aus Umweltverbänden erhobenen Kritik zur Teilnahme Brandenburgs, Sachsens und Berlins an der heutigen Veranstaltung. Ja, wir diskutieren hier auf einer Veranstaltung auch mit der Braunkohleindustrie und mit langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Braunkohleunternehmen LEAG. Ja, selbstverständlich tun wir das, ja, was denn sonst? Nicht nur weil wir als Mitglieder von Landesregierungen viel mit Unternehmerinnen und Unternehmern reden – das gehört zu unseren Aufgaben, genauso wie Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden und Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Darüber hinaus halte ich es gerade auch für unabdingbar, hier und heute mit Ihnen über Zukunftsgestaltung zu diskutieren. Auch wer in welcher Funktion auch immer bislang mit seinem Handeln zu den entstandenen Problemen beigetragen hat, kann und muss Teil der Lösung werden. Die Politik wird die Probleme allein nicht lösen können. Dazu benötigen wir Sie alle. Angesichts der Bedrohung, die die Klimakrise darstellt, darf es hier keine Sprachlosigkeit geben.