Gemeinsam für einen vitalen Fluss - Internationale Tagung zur Fischfauna der Oder
- Erschienen amPotsdam / Frankfurt (Oder) – Unter der Schirmherrschaft von Brandenburgs Agrar- und Umweltminister Axel Vogel haben sich heute deutsche und polnische Wissenschaftler in Frankfurt (Oder) zu Fragen des Erhalts des ökologischen Werts der Oder ausgetauscht. Dabei ging es unter anderem um die Gefährdung der Fischfauna durch Algen – insbesondere Prymnesium parvum, die im Jahr 2022 zu einem großen Fischsterben geführt hatte – um die fischereiliche und angelfischereiliche Nutzungen sowie um die Auswirkungen der bereits begonnenen Baumaßnahmen auf polnischer Seite.
Umweltminister Axel Vogel.
„Die Oder und ihre Aue wurden durch den Menschen in den letzten Jahrhunderten stark verändert, was erheblichen Einfluss auf die Artenvielfalt hatte. Von 51 historisch nachgewiesenen einheimischen Fischarten sind heute noch 42 Arten im deutschen Oder-Einzugsgebiet präsent – das zeigt die vom Umweltressort geförderte Studie des IfB aus dem letzten Jahr. Zudem ist die Oder und das gesamte Ökosystem noch immer dabei, sich nach dem Fischsterben im Jahr 2022 zu regenerieren. Erschwert wird der Prozess durch die bereits auf polnischer Seite begonnenen Ausbaumaßnahmen sowie die Auswirkungen der Klimaveränderungen. Trotz der enormen Wassermassen, die im September durch die Oder flossen, führt der Strom die meiste Zeit Niedrigwasser. Einleitungen werden dadurch weniger verdünnt – dieser Zustand hatte zusammen mit hohen Wassertemperaturen zur Algenblühte 2022 geführt, mit dem bekannten Resultat. Wir brauchen daher grenzübergreifendes Engagement, um den Fluss gegen die vielfältigen Gefahren resilienter zu machen. Damit schützen wir nicht nur das Ökosystem, sondern sichern auch die traditionsreiche fischereiliche und angelfischereiliche Nutzung der Oder.“
Vor dem Hintergrund geplanter und bereits begonnener Ausbauvorhaben für die Oder hat das Potsdamer Institut für Binnenfischerei e.V. (IfB) die historischen und aktuellen Fischdaten zur Oder in einer Studie zusammengefasst und 2023 veröffentlicht. Dieses Projekt wurde über das Agrar- und Umweltministerium mit 99.000 Euro aus Mitteln der Fischereiabgabe des Landes Brandenburg gefördert. Das Ministerium unterstützte außerdem die Übersetzung ins Polnische.
Die Tagung unterstrich im Hinblick auf die Oder-Katastrophe von 2022 wie auch der aktuellen Hochwasserlage zugleich die Wichtigkeit, die natürliche Widerstandskraft (Resilienz) des Stromes und seiner Aue zu stärken und daher auch die aktuellen Ausbaupläne ernsthaft auf den Prüfstand zu stellen. Hierzu ist generell eine enge Zusammenarbeit mit Polen unerlässlich.
Die durch das Mehrländer-Institut für Binnenfischerei Potsdam-Sacrow (IfB) unter Beteiligung zahlreicher weiterer Akteure wie das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin (IGB), der Oderfischer und des Nationalparks Unteres Odertal zusammengestellten Daten und Auswertungen sollen den Grad der Beeinträchtigung sichtbar machen können. Der stellvertretende IfB-Direktor Dr. Andreas Müller-Belecke hob hervor, dass die Schrift somit wesentliche Grundlagen für die Bewertung eines weiteren Oder-Ausbaus vorlegt und Ausgangspunkt für eine internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischereibiologie und der fischereilichen Bewirtschaftung der Oder bilden kann.
Durch Verbauungen wurden die Oder und ihre Aue in den letzten Jahrhunderten bereits stark verändert. Diese Veränderungen hatten erheblichen Einfluss auf ökologisch sensible und zugleich fischereilich wertvolle Langdistanz-Wanderfischarten (zum Beispiel Stör, Neunaugen oder Lachs) sowie Aue-Arten (Hecht und Quappe). Die ursprüngliche biologische Produktionsfähigkeit des Stromgebiets ging durch die umfangreichen, ausbaubedingten Abtrennungen der Auegewässer verloren. Wo die Oder einst über 1000 Fischern und ihren Familien ein Leben ermöglichte, sind es heute nur noch 12 bis 13. Der Fischmarkt Wriezen versorgte ganz Berlin und lieferte Fische bis ins Rheinland und nach Italien.
Trotz der vielfältigen Veränderungen am und im Fluss haben sich an und in der Oder bis heute sehr schützenswerte Lebensgemeinschaften und Ökosysteme erhalten - nicht zuletzt, weil die Oder der letzte große mitteleuropäische Strom ist, der auf über 500 Kilometer Länge ohne Wanderhindernisse frei ins Meer fließt. Die Oder gehört daher immer noch zu den fisch- und auenökologisch sowie auch fischereilich bedeutsamsten Strömen Deutschlands und Polens, ja ganz Mitteleuropas. Von 51 historisch nachgewiesenen heimischen Fischarten sind heute noch 42 Arten im deutschen Oder-Einzugsgebiet präsent und werden in der Studie näher vorgestellt. Bei den typischen Fließgewässer- und Auenarten zeigen sich jedoch deutliche ökologische Defizite. Dennoch wird seit einigen Jahren versucht, den Ostseestör in der Oder wieder anzusiedeln. Und auch um das Leben von Ostsee-Schnäpel, Lachs, Meerforelle, Zährte, Barbe, Quappe und Aal wird seit Jahren durch Fischer und Angler auf deutscher und polnischer Seite gekämpft. Mit dem Stromgründling, Baltischen Goldsteinbeißer oder der invasiven Schwarzmundgrundel tauchten in den letzten Jahren zudem neue Arten auf.
Gerade nach dem katastrophalen Fisch- und Muschelsterben vom August 2022 und der nachfolgenden Ereignisse auch in diesem Jahr wird diese Studie besonders aktuell, liefert sie doch Referenzdaten für die Erholung beziehungsweise Beeinträchtigung der Fischbestände.
Die Schrift kann über das IfB bezogen werden. Sie ist als Druckexemplar und Download auf Deutsch und Polnisch erhältlich.
WOLTER, C.; S. ZAHN & J. GESSNER (2023): Entwicklung, Nutzung und Schutz der Fisch-fauna in der Brandenburgischen Oder. Schriften d. Instituts f. Binnenfischerei e. V. Potsdam-Sacrow 65, Institut f. Binnenfischerei e. V. Potsdam-Sacrow (Hrsg.), Potsdam.
Steffen Zahn - Institut für Binnenfischerei e. V. Potsdam-Sacrow (IfB)
Im Königswald 2
14469 Potsdam
Telefon +4933201 406 18
Mail: steffen.zahn@ifb-potsdam.de
Nach dem Fischsterben 2022 hat das Umweltressort kurzfristig Hilfen für die Fischereibetriebe bereitgestellt.