Naturwacht zieht Bilanz: Dramatischer Rückgang bei Amphibien – Virtuelle Naturführungen durch wilde Welten
- Erschienen amPotsdam – Die Naturwacht Brandenburg zieht in ihrem Jahresbericht Bilanz für 2019. Schwerpunkte sind der starke Rückgang bei den Amphibien und Wiesenlimikolen. Aktuell reagiert die Naturwacht mit dem neuen virtuellen Bildungsangebot www.wilde-welten.de auf die Kontakteinschränkungen infolge der Corona-Krise.
„Üblicherweise beginnt jetzt, im Frühjahr, die Hauptsaison für geführte Touren mit der Naturwacht“, erklärt Umweltminister Axel Vogel. „2019 begleiteten die Ranger 9.483 Gäste auf 455 Touren in Brandenburgs Nationale Naturlandschaften. Sie führten die Menschen im doppelten Sinne an die Natur heran – unter dem Motto: Was ich kenne und verstehe, kann ich wertschätzen und schützen. In diesem Jahr werden wir wegen der Corona-Situation diese beeindruckenden Zahlen nicht erreichen können. Deshalb freue ich mich umso mehr darüber, dass die Ranger ihr neues virtuelles Bildungsangebot der wilden Welten eher an den Start gebracht haben. Für den Naturtourismus und eine Bildung für nachhaltige Entwicklung ist die Naturwacht enorm wichtig“, so Vogel.
Infolge der Corona-Krise müssen derzeit alle Führungen bis auf Weiteres abgesagt werden. Auch die zahlreichen Umweltbildungsangebote für Kinder- und Jugendgruppen müssen aktuell auf Eis gelegt werden. „Das ist sehr bedauerlich. Die Projekttage an Schulen und Kitas sind seit Jahren stark nachgefragt.
„Wir wollten 2020 das Angebot eigentlich weiter ausbauen. Auch unser Landescamp zu Ferienbeginn mit über 100 Junior Rangern entfällt“, sagt Manfred Lütkepohl, der Leiter der Naturwacht Brandenburg.
Zumindest virtuell kann man Brandenburgs Ranger derzeit noch in die Natur begleiten. Unter www.wilde-welten.de schauen sich Nutzer mit Maus oder VR-Brille in den Lebensräumen Wald, Wiese und Moor um. Das Angebot richtet sich vor allem an Grundschüler und umfasst auch ein 18-seitiges Mitmachheft mit Aufgaben und Rätseln.
„Wir wissen aus Studien, dass Kinder mit Hilfe der VR-Technik sehr motiviert lernen. Das hilft dabei, Naturzusammenhänge zu vermitteln und Grundlagen zu schaffen. Ziel ist aber ganz klar, die Kinder raus in die reale Welt zu locken, in die echte Natur",
Alle anderen Arbeiten der Naturwacht laufen auch in Zeiten der Corona-Krise wie gewohnt weiter.
„Derzeit kümmern sich die Ranger intensiv um das naturkundliche Monitoring und die Gebietskontrolle. Der regelmäßige Austausch läuft über Telefonkonferenzen. In vielen Gebieten wird derzeit mit Sorge die anhaltende Trockenheit beobachtet“, so Lütkepohl.
Das Thema Trockenheit bildet auch den Schwerpunkt im Jahresbericht der Naturwacht für 2019. Fehlende Niederschläge und hohe Temperaturen führten im Vorjahr zu einer erneuten Dürreperiode. Dies hatte zahlreiche Waldbrände in Brandenburg zur Folge. Vielen Tier- und Pflanzenarten machte die Trockenheit zu schaffen. Vor allem die Amphibien reagierten empfindlich auf den Wassermangel.
Die Auswertung der Fangzahlen der vergangenen sechs Jahre für 36 Amphibienzaunstandorte der Naturwacht mit insgesamt 11,5 Kilometer Länge zeigt: Die Zahl der an allen Zäunen erfassten Amphibien hat sich 2019 im Vergleich zum Mittelwert der Vorjahre mehr als halbiert. Am stärksten betroffen ist die Gruppe der Braunfrösche, zu denen Moor- und Grasfrösche zählen: Während 2014 bis 2018 landesweit durchschnittlich 9.000 Tiere pro Jahr an den Schutzzäunen registriert wurden, waren es 2019 nur 2.700 Tiere. Damit ist ihre Zahl im Vergleich zu den Vorjahren auf weniger als ein Drittel gesunken. Bei den Molchen sieht es nicht besser aus. Zählten die Ranger 2014 bis 2018 landesweit durchschnittlich 5.600 Tiere pro Jahr, waren es 2019 nur 1.860 Exemplare.
„Wir sehen anhand der Monitoring-Ergebnisse der Naturwächter an vielen Stellen, wie sehr unsere heimische Tier- und Pflanzenwelt unter Druck geraten ist. Die Folgen der Intensivierung der Landnutzung und des Klimawandels sind auch bei uns längst sichtbar“, so Axel Vogel. Die regelmäßige Datenerfassung durch die Ranger habe für das Land großen Wert, um Veränderungen in den Schutzgebieten frühzeitig zu erkennen und darauf reagieren zu können. Auch ließe sich dank der Dauerbeobachtung einschätzen, ob Maßnahmen erfolgreich seien oder nachgebessert werden müssten, sagte der Umweltminister.
Dringenden Handlungsbedarf sieht die Naturwacht beim Schutz der Wiesenlimikolen. Kiebitz, Brachvogel und Rotschenkel wiesen 2019 wiederholt besorgniserregend geringe Bruterfolge auf. Hier handelt es sich um einen bereits seit längerer Zeit wirkenden Trend, der nicht ausschließlich auf die Trockenheit zurückzuführen ist. Im Biosphärenreservat Spreewald haben die Ranger bei 148 Kiebitz-Brutpaaren nur zwei Jungvögel registriert, die flügge geworden sind. Schon die Untersuchung in 2018 erbrachte nur vier Jungtiere.
„Das ist natürlich viel zu wenig, um den Erhalt des Bestandes auch nur ansatzweise zu sichern. Wir vermuten, dass die Zunahme von Beutegreifern wie Fuchs und Waschbär für den geringen Bruterfolg mitverantwortlich ist“, erklärt Manfred Lütkepohl, der Leiter der Naturwacht Brandenburg.
Das Arbeitsgebiet der Naturwacht sind die 15 Brandenburger Naturlandschaften (ein Nationalpark, drei Biosphärenreservate und elf Naturparke). Die 93 Ranger agieren auf einem Drittel der Landesfläche – etwa 9.000 Quadratkilometern – seit 1991 Jahren als Mittler zwischen Mensch und Natur.
Axel Vogel: „Die Ranger sind als Ansprechpartner für Landnutzer und Anwohner in den Brandenburger Naturlandschaften etabliert und akzeptiert. Dank ihrer Präsenz ist auch die Zahl von gesetzlichen Verstöße in den Großschutzgebieten seit Jahren auf einem schwankenden, aber niedrigen Niveau.“
2019 wurden insgesamt 1.437 gesetzliche Verstöße registriert. Schwerpunkte bildeten illegale Müllablagerungen (202), die Missachtung des Wegegebots (247) sowie unerlaubtes Campen (54) oder Feuerstellen (82).