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Landwirtschaftsministerium veröffentlicht die Stellungnahmen zum Leitbild für Brandenburgs Agrarstruktur im Internet

- Erschienen am 19.11.2020

Potsdam – Ab heute (19.11.) sind die Stellungnahmen, die Auswertung und der darauf basierende der Entwurf eines agrarstrukturellen Leitbilds öffentlich.

„Nach unserem Aufruf, sich von März bis Juni 2020 mit Vorschlägen an der Erarbeitung des agrarstrukturellen Leitbilds zu beteiligen, und nach einer Video-Konferenz Anfang November mit allen Verbänden, Einrichtungen, Behörden und Einzelpersonen, die an der Erarbeitung mitgewirkt haben, schaffen wir damit eine weitere Beteiligungsmöglichkeit bis Anfang Dezember“, so Agrarumweltminister Axel Vogel.

 Das agrarstrukturelle Leitbild ist gemäß Landtagsschluss vom 22. Januar 2020 die Grundlage für das im Koalitionsvertrag festgelegte Agrarstrukturgesetz. Es soll die regionale Versorgung und Wertschöpfung stärken, eine übermäßige Konzentration von Flächen in wenigen Händen vermeiden und ein angemessenes Verhältnis der Kauf- und Pachtpreise zu den Einkommensmöglichkeiten der Landwirtschaft herstellen. Im Leitbild sind die Ziele des Landes für die Eigentums- und Pachtstruktur formuliert. Das drauf aufbauende Agrarstrukturgesetz soll die bundesrechtlichen Gesetze zum landwirtschaftlichen Bodenmarkt ablösen. Der Leitbildentwurf wird nach dieser Beteiligungsrunde in der Landesregierung abgestimmt und danach dem Landtag vorgelegt und veröffentlicht.

Agrarminister Axel Vogel:
„Konzentrationsprozesse bei den Agrarflächen können bestehende Landwirtschaftsbetriebe existenziell gefährden, sich negativ auf dörfliche Strukturen auswirken und von Nachteil für die regionale Wertschöpfung sein. Das gilt insbesondere bei der Herausbildung großer Holdings außerlandwirtschaftlicher Investoren und einer allein auf Preisanstieg setzenden spekulativen Vermögensanlage dienenden Flächenerwerb.“

Mit einem Brief und im Internet rief Agrarminister Axel Vogel im März 2020 Landwirte und andere Betroffene, Verbände und Wissenschaftseinrichtungen sowie alle fachlich Interessierten auf, sich in die Erarbeitung des agrarstrukturellen Leitbilds für Brandenburg über einen Online-Beteiligungsprozess einzubringen. Bis Juni 2020 waren 45 Stellungnahmen eingegangen, die ausgewertet und berücksichtigt wurden und jetzt auf der Internetseite des Landwirtschaftsministeriums sind. 12 Stellungnahmen kamen von Verbänden und Vereinen, 4 aus der Wissenschaft, 20 von Behörden und 9 von Einzelpersonen.

„Wir haben es erreicht, dass sich auch in der angespannten Corona-Zeit viele Betroffene mit den Vorschlägen auseinandersetzen und ihre Vorschläge und Bedenken einbringen konnten“, so Landwirtschaftsminister Axel Vogel. „Die engagierten Stellungnahmen zeigen das große Interesse am Thema. Es gab sehr viele positive Anregungen, aber auch die Sorge, dass es zu weitergehenden Eingriffen und Beschränkungen kommen könnte. Das geplante Agrarstrukturgesetz wird wie auch das geltende Grundstücksverkehrsgesetz keine Handelsverbote enthalten. Im Falle eines Flächenverkaufs soll Landwirten der Vorrang vor Nichtlandwirten ermöglicht werden und der Preisanstieg gedämpft werden.“

Ziel ist, den in der Region wirtschaftenden Landwirtschaftsbetrieben einen besseren Zugang zu Agrarflächen, Entwicklungsmöglichkeiten und Sicherheit zu geben. Aktuelle Entwicklungen auf dem Boden- und Agrarmarkt erschweren dies, weil Kapitalanleger Flächen zu Preisen aufkaufen, die sich Landwirte und insbesondere Junglandwirte sowie Existenzgründer häufig nicht mehr leisten können. Auch der Zusammenhalt auf den Dörfern zwischen den dort lebenden Menschen und der Landwirtschaft ist durch diese Entwicklung gefährdet.

Zur Auswertung der Stellungnahmen

Im Entwurf des Leitbilds hat das Agrarministerium beispielsweise Vorschläge aus dem Beteiligungsverfahren zur konkreteren Beschreibung der agrarstrukturellen Ziele berücksichtigt. Hinweise zu dem erst nach dem Leitbildprozess zu erarbeitenden Agrarstrukturgesetz fließen später in die Gesetzesentwurfserarbeitung ein. Das im ersten Entwurf enthaltene Ziel, die Bodenspekulation mit landwirtschaftlichen Flächen einzudämmen, wurde aufgrund der Stellungnahmen so erweitert und modifiziert, dass der Boden vorrangig eigenverantwortlich in der Region wirtschaftenden Landwirten zugänglich sein und nicht der Spekulation oder der vorrangigen Kapitalanlage dienen soll. Die zu dem Ziel der „Vermeidung von Flächenkonzentrationen in einer Region bei einem Eigentümer oder Pächter“ geäußerte Sorge von Verbänden, dass große Betriebe in ihrer Entwicklung behindert werden könnten, führte nicht zu einer Änderung der Zielformulierung. Denn zum einen werden die bestehenden großen Betriebe als Teil der brandenburgischen Agrarstruktur von einem anderen Ziel erfasst (Nr. 2). Zum anderen ist das Ziel der Konzentrationsvermeidung bereits ein Verfassungsgrundsatz, der auf der Leitbildebene lediglich wiederholt und auf den Bereich der Landwirtschaft übertragen wird. In dem späteren Verfahren der Gesetzeserarbeitung ist dann abzusichern, dass die Interessen der bestehenden brandenburgischen Betriebe, unabhängig von ihrer Größe, in die Regelungen einfließen.

2006 war die Gesetzgebungszuständigkeit für den landwirtschaftlichen Bodenmarkt auf die Länder übergegangen. Nach dem landwirtschaftlichen Bodenmarktrecht bestehen bereits eine Genehmigungspflicht für Grundstücksverkäufe, die Möglichkeit der Vorkaufsrechtsausübung und eine Anzeigepflicht für Pachtverträge. Ein Landes-Agrarstrukturgesetz soll effektivere, konkretere und auf die spezifische Situation Brandenburgs zugeschnittene Regelungen aufnehmen, Umgehungstatbestände erfassen und vollzugstauglichere Verfahrensregelungen entwickeln.

Hintergrund zur Situation in Brandenburg

Von 2007 bis 2019 sind die Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen in Brandenburg um fast 400 Prozent gestiegen, die Pachtpreise in dem gleichen Zeitraum um etwa 200 Prozent. Untersuchungen des bundeseigenen Thünen-Instituts in mehreren ostdeutschen Landkreisen haben die Situation näher beleuchtet:

Rund die Hälfte der in zwei Brandenburger Landkreisen untersuchten landwirtschaftlichen Flächen, die in den letzten Jahren übertragen wurden, haben Nichtlandwirte erworben – durch Kauf oder auch als Schenkung (unter anderem der nicht zu beanstandenden vorweggenommenen Erbfolge).

Es gibt Konzentrationsprozesse sowohl bei Eigentumsflächen wie bei Pachtland. Das bestehende siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht zugunsten ortsansässiger Landwirte konnte in den letzten Jahren nur in sehr wenigen Fällen und nur über eine sehr geringe Fläche (rund 1 Prozent der Fläche, die an Nichtlandwirte verkauft wurde) ausgeübt werden. Das lag am sehr kurzen gesetzlich vorgegebenen Zeitraum, in dem nacherwerbsbereite Landwirte gefunden werden müssen, vor allem aber an hohen Kaufpreisen und den Nebenkosten des Nacherwerbs.

Der Preisanstieg für die Flächen ist deutlich höher als der Anstieg der hieraus erzielbaren Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe. Kapitalanleger haben in den letzten Jahren nicht nur Flächen gekauft, bei denen ein potenzielles Vorkaufsrecht zugunsten eines Landwirtschaftsbetriebs bestand. Sie haben zunehmend auch bislang genehmigungsfreie Unternehmenskäufe (Share Deals) getätigt und – zur Vermeidung der ansonsten fälligen Grunderwerbssteuer –  im jeweiligen Einzelfall weniger als 94,9 Prozent der Unternehmensanteile von Agrargesellschaften gekauft und somit zugleich erhebliche Vermögenswerte in Form von Grundstücken erworben.

Die Thünen-Untersuchung in den beiden Brandenburger Landkreisen zeigt auf, dass sich dort rund ein Drittel der Agrargesellschaften im Eigentum von überregional aktiven Investoren befindet, die rund ein Sechstel der Landwirtschaftsflächen bewirtschaften. Der Anteil der verkauften landwirtschaftlichen Fläche im Vergleich zur Gesamtagrarfläche ist in Brandenburg mit jährlich 1,6 Prozent im Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2019 viermal so hoch wie die Bodenmobilität in den alten Bundesländern im gleichen Zeitraum. Er ist auch höher als die bei 1,1 Prozent liegende durchschnittliche Bodenmobilität aller ostdeutschen Länder.

 

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Datum
19.11.2020